Sowohl den unterschiedlichen Stimmen, Stimmungen und Körpersprachen als auch dem Schweigen, dem nicht Gesagten in einem Raum zuhören.
Als systemisch in das Netz des Lebens eingebundene Körper haben menschliche Handlungen stets Auswirkungen auf andere Körper. Ein Aspekt des Schweigens ist die Sensibilisierung der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Nur, indem ich schweige, erlaube ich mir anderen zuzuhören und eröffne gleichzeitig anderen den Raum gehört zu werden.
Wir müssen zuhören um wertzuschätzen; wir müssen zuhören um in den Austausch zu kommen; wir müssen uns zuhören, um uns zu verstehen und zu verständigen; wir müssen uns zuhören, um Allianzen zu bilden. Zuhören bedeutet Gegenseitigkeit und eine aktive Praxis des In-Beziehung-Tretens zu praktizieren. Es schärft das situierte Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für die eigene Position sowie die anderer menschlicher und nicht-menschlicher Körper.
Zuhören ist ein passiv-aktiver Mischakt. Jemand wirft einem ein Seil zu, um sich zu verbinden. Wenn man es nur passiv annimmt, baut sich ein Berg aus Seil zwischen beiden auf. Man muss es auch zu sich ziehen, durch Rückmeldungen, Fragen und Verständnisbekundungen. Gute Zuhörer*innen werfen beim Zuhören nicht ihr eigenes Seil zurück, bis sie selbst an der Reihe sind.
Das Zuhören entspricht der ernsthaften Bemühung, (unbekannten, marginalisierten) Perspektiven Raum zu geben, ohne sie vorschnell zu bewerten, zu vereinnahmen oder zu überstimmen.
Zuhören ist eine Tätigkeit, die weit mehr erfordert als bloßes Hören, denn es geht darum, aktiv zu versuchen, das Gesagte wirklich zu verstehen. Meist braucht das Nachfragen an die sprechende Person, Zeit zum Nachdenken und eine inhaltliche Fokussierung. Häufig ist unser Hören bereits durch eine Meinung oder Erwartung gefiltert, was wie eine Art Inhalts-Verzerrer wirkt. Um wirklich zuzuhören, sollte man versuchen, diesen Filter abzulegen.
Zuhören. Sich Zeit nehmen. Sich einlassen. Der Wille, sich wirklich zu verstehen. Nachfragen. Ernst nehmen. Aufmerksamkeit hinlenken. Raum geben. Tief eintauchen. Entwicklung eines Verständnisses für Positionen – andere, wie die eigene. Was ist zu hören? Was nicht? Warum?
Zuhören ist eine Grundlage für die Kommunikation zwischen Menschen. Es ist die Grundlage für Gespräche, die nur funktionieren können, wenn wir uns aktiv auf unser Gegenüber einlassen.
Wird das Zuhören als aktive Praxis des In-Beziehung-Tretens verstanden, kann damit ein situiertes Bewusstsein geschärft und die Aufmerksamkeit für die eigene Position sowie die anderer menschlicher und nicht-menschlicher Körper entwickelt werden. Wem hören wir zu und welche Geschichten erzählen wir weiter? Welche Bedeutung spielt dabei die Erinnerung? Und wie können ungehörte Erzählungen und Erfahrungen Raum erhalten? Grada Kilomba schärft: “Those who are listened to are those who ‘belong.’ And those who are not listened to become those who ‘do not belong’” (Kilomba 2023: 20).
Sich gegenseitig wirklich zuzuhören bedeutet nicht etwa, den Worten des oder der anderen zu folgen, es beinhaltet vielmehr den tiefgehenden Willen tatsächlich zu erfassen, was das Gegenüber zu vermitteln versucht. Ebenso meint es, dem Gedankengang aktiv folgen zu wollen und sich zu bemühen, Gesagtes reflektiert wiederzugeben und/oder im Gespräch aufzugreifen.
Das Zuhören bietet mitunter die wichtigste Grundlage des gesunden Miteinanders, indem man Aussagen von Personen aktiv wahrnimmt und verarbeitet, ohne zu unterbrechen und eigene Gedanken einzubringen. Gerade in Gesprächen mit Personen aus marginalisierten Gruppen ist es von hoher Wichtigkeit zuzuhören, da diesen leider vermehrt nicht zugehört wird. Wir müssen zuhören, um wertzuschätzen; wir müssen zuhören, um in den Austausch zu kommen; wir müssen uns zuhören, um uns zu verstehen und zu verständigen; wir müssen uns zuhören, um Allianzen zu bilden; wir müssen uns zuhören.