Verantwortlichkeit hat für mich […] etwas damit zu tun, dass wir unter uns Verbindungen aufbauen, wie wir uns selbst zusammenfügen und wie wir zusammengefügt sind. (Haraway 1995, 110)
Haraway, Donna (1995): Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen, hg. von Carmen Hammer und Immanuel Stieß, übersetzt von Dagmar Fink, Carmen Hammer, Helga Kelle, Anne Scheidhauer, Immanuel Stieß und Fred Wolf. Frankfurt am Main: Campus.
Verantwortung bedeutet: eine Beziehung einzugehen. Damit einher geht die Achtsamkeit und Sorge für das Subjekt/Objekt. Verantwortung basiert auf drei Dimensionen – einer kollaborativen, einer reflexiven und einer historischen. Verantwortung bedeutet daher auch, ein Bewusstsein über die eigene Position zu haben, sowie die Gegenseitigkeit von Beziehungsweisen und Vertrauen in sich selbst. Sie ist eine Voraussetzung für das Zusammenleben von menschlichen und nicht-menschlichen Körpern und geht mit Aushandlungsprozessen einher.
Ver-Antwort-ung qua relationaler, gemeinschaftlicher Aushandlungsprozess, ergo qua reaktive Antwort auf eine kollektive Situation, die durch kollaborative Prozesse und (in-)direkte Anteilnahme an kritischen Reflexionen geäußert wird.
Verantwortung ist ein positives gegenseitiges Verhältnis, das Menschen füreinander übernehmen. Es ist das Gegenteil von Gleichgültigkeit und orientiert sich positiv an den Bedürfnissen der Gegenseite aber auch an den eigenen Bedürfnissen. In Verantwortung steckt Antwort. Es ist die Antwort auf die Bitten und Fragen und Bedürfnisse, von denen man beim Zuhören erfahren hat.
Verantwortung zu übernehmen bedeutet, sich der eigenen Möglichkeiten und Grenzen bewusst zu sein und eine Situation so zu beeinflussen, wie man der Überzeugung ist, dass der Ausgang richtig oder gut ist. Bevor man Verantwortung übernimmt, ist es jedoch wichtig, die Verantwortung bei sich selbst zu erkennen und zu spüren. Für mich hat das mit der Erfahrung der eigenen Wirkmacht, mit Glauben und Vertrauen in sich selbst sowie mit einem Bewusstsein für die Gemeinschaft oder andere Personen zu tun. Aus einem Denken wie: „Andere kümmern sich schon“ oder „Andere wissen, was zu tun ist“, wird dann ein: „Ich kümmere mich, sorge mich und gestalte die Situation mit.“
Übernimmt man Verantwortung, geht man automatisch eine Beziehung mit einem Subjekt/Objekt ein, für welches man verantwortlich ist. Sie ist mit einer Pflicht der Achtsamkeit, der Unterstützung und des Schutzes verbunden, mit der man dafür sorgt, dass das Subjekt/Objekt im (Zeit)Raum der Verantwortung möglichst wenig Schaden nimmt. Diese durch die Verantwortung entstehende Beziehung kann (aber muss nicht) auf Gegenseitigkeit beruhen.
Verantwortung ist das Gefühl, für eine andere Person zuständig zu sein, für diese einzustehen und zu handeln, sich um andere zu kümmern oder auch für sie zu sorgen. Verantwortung kann in den verschiedensten Konstellationen auftreten und sich auf verschiedene Arten und Weisen veräußern. So findet man Verantwortung im Verhältnis Eltern Kind(er), unter Partner*innen aber auch unter Freund*innen und Gruppenkolleg*innen in der Universität oder gar der Schule kann Verantwortung übernommen werden oder auftreten.
Mit der Wissenschaftsphilosophin und Biologin Donna Haraway möchte ich drei Dimensionen auf Verantwortung hervorheben – eine kollaborative, eine reflexive und eine historische. Haraway spricht die Pflicht an sich an, für etwas Sorge zu tragen: “Verantwortlichkeit hat für mich […] etwas damit zu tun, dass wir unter uns Verbindungen aufbauen, wie wir uns selbst zusammenfügen und wie wir zusammengefügt sind” (Haraway 1995: 110). Für etwas Sorge zu tragen, ist folglich eng verknüpft mit der Entwicklung eines Bewusstseins für die eigene Position – in Relation zu weiteren sozialen Kontexten und Körpern. Um eben diese in Relation wahrzunehmen und zu reflektieren. Auf dieser Grundlage ist Verantwortung eine Praxis des Zusammenfügens und zusammengefügt Seins.
Verantwortung – Bürde oder Freiheit? Verantwortung verpflichtet mich. Und eröffnet mir gleichzeitig einen Gestaltungsspielraum, gibt mir einen Bewegungsradius, in dem ich entscheiden kann (und muss?) wie es ist und dadurch, wie es weitergeht. Verantwortung zu tragen bedeutet für mich, Entscheidungen zu treffen, manchmal unbequeme, manchmal beflügelnde. Begegnungen zu initiieren. Beziehungen und Verbindungen zu gestalten. Individuelle Antworten zu finden.
Verantwortung bedeutet, sich einzusetzen. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Menschen um mich herum. Verantwortung ist eine Art unausgesprochener Vertrag, der jedoch nicht nur in eine Richtung verläuft. Verantwortung ist eine Voraussetzung für das Zusammenleben von Menschen. Sei es in der Familie, im Freund*innenkreis oder im Klassenzimmer.
Verantwortung in künstlerisch-edukativen Prozessen heißt für mich, sich seiner Rolle und seiner Haltungen bewusst zu sein, sie immer wieder bewusst zu machen, zu hinterfragen und dafür einzustehen.
Verantwortung ist die Verpflichtung für etwas einzustehen und dessen Folgen zu tragen. Wer trägt Verantwortung für wen/was? Wie hängen Macht und Verantwortung miteinander zusammen?
Akteur*innen, die sich innerhalb sozialer Konstellationen verorten, haben die Verantwortung, sich auf Perspektiven, Erfahrungen, Meinungen und Möglichkeiten einzulassen, um gemeinschaftliche Prozesse voranzutreiben und die Teilhabechancen aller am sozialen Leben zu erhöhen.
Individuen, welche sich in einer Machtposition befinden, haben über die Lebewesen, Abläufe, Ereignisse und Dinge, denen sie im kulturellen Verständnis übergeordnet sind, eine Verantwortung. Das bedeutet, dass dem Individuum für die Entwicklungen, Handlungen und Sicherheit dieser Aspekte eine Zuständigkeit zugeschrieben wird. Für den Umgang mit dieser gibt es kulturell geprägte, moralische Vorstellungen.
Verantwortung ist eine Praxis des Zusammenfügens aus Körpern, Räumen, Dingen und Sprache in Beziehung zu ihren jeweiligen historischen Verstrickungen.