Ausgangspunkt dieses Beitrags war ein gemeinsames Nachdenken über Reziprozität und Konvivialität als zentrale Koordinaten eines Zusammenlebens der Lebensformen im Kontext Schule. Was braucht es dafür? Wie gestaltet es sich? Welche Rahmungen sind uns wichtig? Dabei interessierte uns, wie sich unsere unterschiedlichen Perspektiven als Lehrende und Kunstvermittler*innen, als Künstler*innen und Kurator*innen, als wissenschaftlich und künstlerisch Forschende begegnen und gegenseitig informieren. In einer ersten Annäherung an unsere jeweiligen künstlerisch forschenden Praxen kristallisierte sich Unruhe als Begriff und verbindender Zustand heraus, um Aufmerksamkeiten auf Fragen, Erinnerungen, Erfahrungen und Diskurse zu setzen, die wir jeweils mitbringen.
Abb. 1 Filmstill 1 – künstlerischen Schulforschung, Berlin 2024
Unruhe
Videoarbeit: Unruhe, Durchlässigkeit, Trickster und Unterbrechung, Berlin 20251
Um dieser verbindenden Unruhe nachzugehen, verabredeten wir uns im November 2024 zu einem gemeinsamen Schultag an der Rosa-Parks-Grundschule in Berlin-Kreuzberg. Zwischen 8 und 13 Uhr besetzten wir einen Tisch mitten im Lehrplanungszimmer.
Der vorgegebene Rhythmus des Schulalltags, der etwa das Lehrer*innenzimmer in Intervallen füllte und leerte, strukturierte unseren Austausch ebenso wie unterschiedliches Material aus unseren jeweiligen Praxen und Kontexten: Werkzeuge, Papier, Texte, Fäden und Schnüre, ein Sammelsurium an Objekten und Materialien, die unsere Unruhen mit in den geteilten Raum brachten. Unsere Körper wiederum involvierten: Hände, die bewegen, irritieren, abspüren, ausprobieren, umwerfen, überlagern und neu ordnen. Immer weitere Perspektivierungen des Gesagten und Gedachten wurden sichtbar und leiteten unseren Dialog an. Zur Pausenzeit spazierten wir über den Schulhof und versuchten dabei, unsere Beobachtungen – von der Pausenglocke über die Schaukel, vom Baumbestand zum Laminiergerät – sowie die materiellen und körperlichen Aspekte des Schullebens in unserem Nachdenken mitsprechen zu lassen. Mit dem letzten Läuten zum Mittag beendeten wir unser Format.
Die entstandenen Videopieces kondensieren und umkreisen – neben der Unruhe – die Auseinandersetzung mit drei Begriffen, die Gegenseitigkeit und Konvivialität im Kontext Schule bedingen und ermöglichen: Durchlässigkeit, die Figur des Tricksters und Unterbrechung.
In ihrer Form als Video-Soundcollage spiegeln sie eben diese Prinzipien.
Abb. 2 Filmstill 2 – künstlerischen Schulforschung, Berlin 2024
Durchlässigkeit
Abb. 3 Filmstill 3 – künstlerischen Schulforschung, Berlin 2024
Trickster
Abb. 4 Filmstill 4 – künstlerischen Schulforschung, Berlin 2024
Unterbrechung
Garcés, Marina (2022): Mit den Augen der Lernenden. Übersetzt von Richard Steurer-Boulard. Wien: Turia + Kant.
Freire, Paulo (1970/1991): Pädagogik der Unterdrückten. Bildung als Praxis der Freiheit, mit einer Einführung von Ernst Lang, Hamburg: Rowohlt TB.
Freire, Paulo (1981): Der Lehrer ist Politiker und Künstler: Neue Texte zu befreiender Bildungsarbeit, übersetzt von Horst Goldstein, Betty Oliveira, Ilse Schimpf-Herken, Hamburg: Rowohlt.
Haraway, Donna (2018): Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän, übersetzt von Karin Harrasser, Frankfurt/New York: Campus.
hooks, bell (2024/2010): Kritisch denken lernen, Münster: UNRAST, S. 51–61.
Sternfeld, Nora (2023): Subjekte denen Unwissen unterstellt wird. einige Überlegungen zur Kunstvermittlung als Dienstleistung, in: Kolb, Gila/Schütze, Konstanze (Hg.), Kunstvermittlung zwischen Haltung und Verantwortung. Das Volkswagen Fellowship für Kunstvermittlung an der Städtischen Galerie Wolfsburg, München: kopaed, S. 103–109.