Wir sind fünf Personen, die an der HBK Braunschweig studieren und studiert haben. Im Seminar „Situierung zwischen den Stühlen“ sind wir uns begegnet und möchten alle Lehrpersonen werden – früher oder später, ganz sicher oder im Gedankenspiel. Gleichzeitig sind wir (Performance-)Künstlerinnen, Tänzerinnen, Kunstvermittlerinnen, Theaterpädagoginnen und (künstlerisch) Forschende. Uns interessieren genau diese Räume zwischen Lehrperson und alles Andere sein: Welche Bedingungen sind daran geknüpft und wie können wir diese produktiv verändern? Wo positionieren wir uns individuell dazwischen? Wie können wir Grenzen verschwimmen lassen? Und welche Rollen spielen unsere Körper dabei? Basierend auf einer Lecture Performance aus dem Seminar ist, entlang gemeinsam festgelegter Spielregeln, eine Partitur und eine Resonanzcollage entstanden. Darin reflektieren wir, verhandeln Vielstimmigkeit und forschen künstlerisch, um unsere Auseinandersetzung mit diesen Zwischenräumen sicht- und hörbar zu machen.
Eine Partitur ist die Auf_Zeichnung1 eines Denk- und Handlungsraums. Sie versucht, alle Stimmen eines Kollektivs einzufangen und sichtbar zu machen. Die notierte Vielstimmigkeit übersetzt sich interpretativ in Stimmfarben und Rhythmen, körperliche Bewegungen und Spuren, Gefühlsregungen, Zwischentöne, Leerstellen und Gedankensprünge.
Die folgenden Begriffe sind eine Form der Reflexion. Sie bildet unseren Aus_Handlungsprozess darüber ab, wie wir die Partitur verstehen und was uns daran weiterführend beschäftigt. Wenn ein Begriff mehrfach auftaucht, dann handelt es sich dort um eine Vielstimmigkeit.
Resonanz2, Stimme3, Mischung4, Öffnen5, Performance6, Körper7, Rolle8, Einklang und Vielklang9, Raum10, Hybridität11, Prozess12, Überforderung13, Verwirrung14, Sprengen15, Rahmen16, Nikolausprojekt17, Position18, Zwischendrin19, immer weiter20
Partitur_Stand Juni, Seite 1
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Förster, Dori Yuna Lonia/Manthei, Lea Maria/Cruz Hahne, Silja/Schüle, Thea Schüle/Gelbke, Vanessa (2022): „Zwischen Lehrperson und alles Andere sein“. Resonanzcollage.
Mit der Partitur wollen wir Vielstimmigkeit einfangen, sichtbar machen und verhandeln. Um unseren kollektiven Aushandlungsraum zu erweitern, haben wir daher unseren Zwischenstand (Partitur_Stand Juni) im Rahmen des Rundgangs 2022 an der HBK Braunschweig ausgestellt. Mit der folgenden Handlungsanweisung wollten wir die Besucher*innen als Menschen, die sich auch in Schul- und Kunstkontexten bewegen, einladen, sich experimentell an der Partitur zu beteiligen.
Handlungsanweisung:
Gib bitte auf die Beiträge der anderen Personen Acht und sei in deiner Mitgestaltung der Partitur sensibel und respektvoll.
Viel Spaß!
Hierbei spielen fortsetzende Übersetzungs- und Überlagerungsprozesse eine Rolle, die sowohl auf der Ebene der Form als auch auf inhaltlicher Ebene wahrnehmbar werden. Post-its und schriftliche Ergänzungen, Klebepunkte und festgeklebte Nägel – Material, Form und Farbe fügen sich zu einer neuen, (un)erwarteten Sprache.
Die Partitur_Stand Juli verstehen wir als Zwischenstand sowie als weiteren Ausgangspunkt. Daran orientieren wir uns, um Aufmerksamkeiten und Mehrdeutigkeiten in unserer künstlerischen Praxis sichtbar zu machen und zu entwickeln. Gemeinsam erforschen wir Möglichkeiten, kollektive Prozesse auszulösen und auszuhandeln.
Partitur_Stand Juli, Seite 1. © Patrick Neugebauer
Partitur_Stand Juli, Seite 2. © Patrick Neugebauer
Partitur_Stand Juli, Seite 3. © Patrick Neugebauer
Partitur_Stand Juli, Seite 4. © Patrick Neugebauer
Partitur_Stand Juli, Seite 5. © Patrick Neugebauer
Partitur_Stand Juli, Seite 6. © Patrick Neugebauer
Partitur_Stand Juli, Übersicht. © Patrick Neugebauer
Erschienen im Rahmen der SfKP #22 // www.swissarteducation.ch, www.sfkp.ch, herausgegeben von Silke Ballath und Konstanze Schütze, Druckversion situierung zwischen #1 erschienen, 04/2023.
Cruz Hahne, Silja/Schüle, Thea (2022): „Lehrerin/Künstlerin/Zwiespalt.“ Lecture Performance, entstanden im Rahmen des Seminars „Zwischen den Stühlen“ bei Ballath, Silke. Aufführung bei den Open Studios 2022, HBK Braunschweig. Unveröffentlicht.
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